Es waren nicht nur die Gegnerinnen an der anderen Seite des Tisches, mit denen Annett Kaufmann beim European Youth Top 10-Turnier in Berlin fertigwerden musste. Es lastete auch ein nicht zu unterschätzender Druck auf den Schultern der 14-jährigen, die im Vorjahr als Newcomer gleich Zweite wurde und nun als Mitfavoritin in den Wettbewerb ging. Und der Böblinger Bundesliga-Youngster trotzte allen Widrigkeiten und setzte sich im hochkarätigen Feld gegen Europas beste Nachwuchsspielerinnen durch.
„Das war mein bislang größter Erfolg und ich bin schon auch etwas stolz darauf, dass ich das alles gemeistert habe“, sagte Annett Kaufmann nach den drei Tagen von Berlin, wo sie an der Spielstätte von Damen-Bundesligist ttc eastside ihren ersten kontinentalen Einzeltitel einfuhr. Dabei fing das Turnier alles andere als optimal an. Gegen Nationalmannschaftskollegin Mia Griesel (MTV Tostedt), die nur als Nachrückerin am Turnier teilnahm, musste Kaufmann gleich in ihrem zweiten Einzel eine bittere 2:3-Niederlage hinnehmen. „Das Spiel hat mich schon etwas genervt, da ich eine 8:6-Führung im fünften Satz nicht durchbringen konnte“, gab Annett Kaufmann zu, „in der Schlussphase war ich sehr nervös, hatte eine Eisenhand und einfach nicht mehr gescheit die Bälle auf den Tisch gespielt.“ Kaufmann fühlte sich dabei durchaus an ihre Situation im letzten Jahr erinnert, als sie in der Außenseiterrolle die meisten Gegner in Grund und Boden spielte. „Es ist auf jeden Fall einfacher, jemand anderen zu jagen als selbst von der Konkurrenz gejagt zu werden“, analysierte die 14-jährige die Situation.
Ungeachtet dieses sportlichen Fauxpas konzentrierte sich Annett Kaufmann auf die nächste schwere Aufgabe, hierbei ließ sie einen wichtigen Fünfsatzerfolg über die bis dahin ungeschlagene Tschechin Helena Sommerova folgen. Eine gewisse Erleichterung war der jungen Bietigheimerin nach dem zweiten Turniertag anzumerken, die zwar nach eigenen Angaben „immer noch nicht in Bestform spielte“, mit drei Erfolgen aber auf Medaillenkurs steuerte. Vor allem der Sieg gegen die Rumänin Bianca Mei Rosu hing dabei am seidenen Faden. Nach einem 0:2-Satzrückstand und der Abwehr diverser Matchbälle im vierten Satz (bei 8:10 und 10:11) schaffte die Linkshänderin doch noch die Wende. „Dieser Erfolg gab mir Sicherheit für die nächsten Spiele“, sagte Annett Kaufmann, die den zweiten Turniertag in der Bundeshauptstadt mit einer Gesamtbilanz von 5:1 Spielen vervollständigte.
Mit einer fulminanten 3:0-Einzelserie am Schlusstag sicherte sich Annett Kaufmann die Goldmedaille. Dass dieser Turniergewinn mehr als verdient war, mussten auch die ebenfalls stark eingeschätzten Kontrahentinnen Anna Hursey (Wales) und Charlotte Lutz (Frankreich) anerkennen, die nach vier beziehungsweise glatt in drei Sätzen bezwungen wurden und sich somit am Ende mit der Silber- und Bronzemedaille zufriedengeben mussten. Nach dem verwandelten Matchball im Abschlusseinzel gegen die Irin Sophie Earley, der als Europaranglistenzweiten am höchsten eingestuften Spielerin, jubelte neben Mutter Anna, die ihre Tochter in Berlin unterstützte, auch Bundestrainerin Lara Broich. „Annett hat sich bei ihrem ersten internationalen Wettkampf nach langer Zeit selbst sehr viel Druck auferlegt, zumal das Turnier auch noch in Deutschland stattfand. Für ihre Entwicklung war es sehr wichtig, dass sie sich diesem Druck gestellt und ihm Stand gehalten hat. Dabei ging es für sie durch viele Wellentäler, die solch ein Ranglistenturnier mit sich bringen. Annett war zwar nicht in Bestform, aber sie hat es geschafft, Qualitäten abzurufen, die ausreichen, um trotzdem am Ende ganz vorne zu landen.“
Heike Ahlert, Vizepräsidentin der Europäischen Tischtennis-Union (ETTU), überreichte Annett Kaufmann bei der Siegerehrung die Goldmedaille und zog ein positives Turnierfazit: „Wir sind sehr froh, dass das erste offizielle internationale Turnier seit Beginn der Pandemie so problemlos über die Bühne ging.“ Alle Spieler und Trainer sowie an der Organisation Beteiligten mussten sich vor Turnierbeginn einem Coronatest unterziehen. Auf Grund von positiven Testergebnissen mussten in den Konkurrenzen insgesamt sechs Talente auf ihren Start verzichten. Heike Ahlert: „„Solange es die Pandemie gibt, müssen wir mit solchen Situationen leben. Aber die positiven Tests zeigen auch, dass mit derartigen Maßnahmen die Sicherheit der Spieler gewährleistet wird und ein Turnier in einem solchen Format auch durchgeführt werden kann.“
European Youth Top 10
Endstand der Schülerinnen-U 15-Konkurrenz
1. Annett Kaufmann (SV Böblingen) 8:1 Spiele
2. Charlotte Lutz (Frankreich) 7:2
3. Anna Hursey (Wales) 7:2
4. Mia Griesel (MTV Tostedt) 6:3
5. Helena Sommerova (Tschechien) 4:5
6. Sophie Earley (Irland) 3:6
7. Bianca Mei Rosu (Rumänien) 3:6
8. Jele Stortz (DJK Offenburg) 3:6
9. Dominika Wiltschkova (Slowakei) 2:7
10. Julie van Hauwaert (Belgien) 2:7
Die Ergebnisse von Annett Kaufmann:
1. Runde
Kaufmann – Jele Stortz 3:0 (7,9,6)
2. Runde
Kaufmann – Mia Griesel 2:3 (7,-9,-7,2,-9)
3. Runde
Kaufmann – Helena Sommerova CZE 3:2 (9,-6,11,-8,9)
4. Runde
Kaufmann – Bianca Mei Rosu ROU 3:2 (-7,-11,4,12,8)
5. Runde
Kaufmann – Julie van Hauwaert BEL 3:0 (9,8,8)
6. Runde
Kaufmann – Dominika Wiltschkova SVK 3:1 (2,5,-9,4)
7. Runde
Kaufmann – Anna Hursey WAL 3:1 (-10,7,9,7)
8. Runde
Kaufmann – Charlotte Lutz FRA 3:0 (3,8,8)
9. Runde
Kaufmann – Sophie Earley IRL 3:1 (-9,4,5,6)